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Freitag, 28.03.2014

Kiez putzen!

Unschönes mal schön.

„Kinder – mögt ihr Müll?“, „Neeeiiiin!!“ Wenigstens zehn Kinder antworten gleichzeitig und lauthals auf meine zugegeben etwas merkwürdige Frage. Trotzdem werden wir kaum 30 Minuten später dieselben Kinder sehen, wie sie sich um weggeworfene Coladosen, Papierreste oder Plastiktüten balgen und sogar nicht davor halt machen, vereinzelt Papierkörbe zu plündern. Was ist geschehen?

Dienstag, 18. März 2014, 11 Uhr morgens am Sparrplatz. Die Sonne lugt vorsichtig durch den fahlen Märzmorgennebel. Kühl ist es. Aber eine Verabredung ist eine Verabredung und deshalb kommen jetzt Kinder der Kita Paradiesvögel, der Kita Pustebär und der Leo-Leonni-Grundschule. Sie sind verabredet mit Thorsten Haas von  Mittel&Wege und den Kollegen 2.3, die hier gemeinsam das Projekt „Schöner Sprengelkiez“ verfolgen. Heute ist Frühjahrsputz angesagt und damit das nicht so langweilig wird, haben sich die Kollegen etwas einfallen lassen. Auf dem Bolzplatz sind die Konturen des Wortes UNSCHÖN zu sehen, riesig groß. Und darüber hängt eine merkwürdige Konstruktion, die aus einem Seil, einer Kiste und einer Kamera besteht. Die Kamera liegt in der Kiste und an der Kiste ist ein weiteres, dünneres Seil befestigt. Alles klar?

Weil auch die Kinder nicht schlau daraus werden, gibt es eine kurze Einführung. Zunächst zur Sammelaktion (Müll nicht mit bloßen Händen anfassen, auf Spritzen achten, Scherben liegen lassen) und deren Route (einmal um den Block). Und dann zu den Merkwürdigkeiten: Der gesammelte Müll soll die Konturen des Wortes UNSCHÖN füllen und dann wird die Kiste mit der Kamera über das UNSCHÖN gezogen und es entstehen schöne Bilder vom UNSCHÖN. Dialektik für Anfänger, und das sind ja unsere Kinder.

Dann geht’s los. Während die Kleinen aus den Kitas auf dem Platz bleiben und hier nach dem Rechten, pardon, dem Unschönen schauen, zieht es die Großen – immerhin Viertklässler – in die weite Welt. Oder wenigstens bis zum Nordufer, das nach dem Besuch nun besonders glänzt. Alle Kinder bekommen eine Warnweste mit der Aufschrift „Kehrenbürger“ und eine Grillzange zum Müll aufklauben. Mit großem Eifer – sicher befeuert durch die Freude über die Freistunde – machen sich die Schüler auf die Suche nach Müll. Glücklicherweise – oder leider – ist das Angebot so groß, dass alle aktiv werden können. Aber um die schönsten Fundstücke wie Motorradtanks, alte Schulranzen oder schlaffe Fußbälle entspinnen sich wirkliche Wettkämpfe. So kommt es zu den oben beschriebenen Szenen, die aber ihren spielerischen Charakter nicht verlieren. Die Kinder finden die Aktion gut. „Eigentlich habe ich oft keine Lust, mich draußen mit meinen Freundinnen zu treffen.“, erzählt ein Mädchen. „Überall liegt Müll und selbst die Spielplätze sind oft dreckig. So etwas wie heute müsste es immer geben, wir wären wieder dabei, oder?!“ Die Freundinnen nicken.

Wie nach einer erfolgreichen Schatzsuche kommen die Kinder mit ihrem Müll zurück zum Sparrplatz. Der erste Preis für die dreisteste illegale Entsorgung geht an eine Gefrier-Kühl-Kombination, die ihres eigentlichen Zweckes entbunden auf der Luftaufnahme wenigstens noch ein Ö-Punkt geben darf. Kollege Sascha (2,3) wuchtet den schwersten Ö-Punkt der Kiezgeschichte auf einer Sackkarre die Treppen zum Bolzplatz hinunter.

Nun geht es daran, die Kontur mit Müll zu füllen. Nicht ganz aktionsgerecht gebiert sich der starke Wind, der lose Fundstücke verspielt Richtung Eckfahne treibt. Deshalb wird loser Kiezmüll in Säcken aufgetragen, während die schweren Fundstücke einzeln liegen.

Nach 15 Minuten ist das Werk vollbracht, die Installation fertig. Noch ein Gruppenfoto der Beteiligten und die erwähnte Luftaufnahme, dann ist die Aktion vorbei. Gut, dass die BSR neben Zangen und Westen auch Besen abgestellt hat, so wird der Bolzplatz blitzblank und regelgerecht zum nächsten Kiezkick übergeben. Schade eigentlich, dass auch Kamera und Kiste verschwinden – ansonsten gäbe es hier den ersten Berliner Fußballplatz mit Torlinientechnik.

Und, Veranstalter, was denkt Ihr nun über die Aktion? Sascha Schneider (Kollegen 2,3): „Ach, Kinder für so etwas zu begeistern ist jede Anstrengung wert. Wir werden den Kiez zwar so nicht lange sauber halten können, aber in die Köpfe der Kinder finden dabei die richtigen Ideen Einzug. Und wer weiß – vielleicht für immer?!“ Und Thorsten Haas (Mittel&Wege): „Nach so einer Aktion hat man immer ein gutes Gefühl, weil ich was für die Gemeinschaft leiste. Wenn die Kinder auch so empfinden, dann haben wir mehr erreicht als mit allen Kehrmaschinen Berlins gleichzeitig. Solche Aktionen machen allen Spaß, weil wir gemeinsam etwas sinnvolles tun. Der Faktor, dass wir etwas gemeinsam geschafft haben ist hierbei wichtiger als das Ergebnis.“ Der Kiez sagt Danke für diese (un)schöne Aktion!

Impressionen von der Sammelaktion

Grünes Licht für Sammler, Rot für Müll
Eine scharfe Aktion
Voller Einsatz beim Sammeln
Neue Disziplin: Speed-Müllsammeln
Sammelzangen der Kehrenbürger
Müllsammler am Kanal
Ein Ö-Punkt wird geliefert
Erster Puzzlestein
UNSCHÖNe Kontur wird gefüllt
Nüll oder auch N-Müll
Gruppenbild mit Müll
Merkwürdige Konstruktion: Kamera in Kiste am Seil
Kamera wird über den Müll gezogen
Und Foto: So sieht das Ganze nun von oben aus
Die Veranstalter mit Müll. Herzlichen Dank dafür!
Johannes Hayner