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Sonntag, 08.12.2013

Großer Andrang beim Poetry Slam

Der erste Kiez-Slam zieht viele Besucher an. Foto: Narcisse Djakam

Die Flyer und Poster der "Slam Rakete" luden zu 19:00 in das SprengelHaus ein, die Darbietungen selbst sollten um 19:30 Uhr beginnen, bei freiem Einritt. Kurz nach sieben Uhr waren jedoch bereits alle vorhandenen Sitzplätze in dem vorgesehenen Raum belegt. Weitere Stühle wurden hereingetragen, das Publikum - zirka 40 meist junge Menschen - rutschte enger zusammen. Mit einer solchen Flut an Interessenten hatte Integritude augenscheinlich nicht gerechnet.

Integritude e.V. ist ein Verein, der den großen Vorsatz gefasst hat, Menschen verschiedener Nationen zusammenzubringen und damit die Welt ein Stück weit besser zu machen. Die "Slam Rakete" hat er ins Leben gerufen, um das Zusammensein und die deutsche Sprache zu feiern. Die Teilnehmer durften innerhalb (relativ großzügig bemessener) 15 Minuten diverse Texte vortragen, wobei es ihnen freigestellt ist zu singen, rappen, dichten oder zu erzählen. Bald ging es also los mit heiteren, romantischen, nachdenklichen, politischen, bitterbösen Texten. Letztere, so wie die meisten anderen auch, mit einem Augenzwinkern vorgetragen. Es ging um Liebe, Krieg, Wut, Eingliederung, Ausbruch, Migration, Familie.

Bei der Auswertung der Stimmzettel. Foto: Narcisse Djakam

Insgesamt fünf Talente traten an, für jeden Geschmack war etwas dabei. Viele hatten bereits merklich Erfahrung in der Poetry Slam-Szene. Mit Marvin Weinstein war sogar eine Größe des Slam-Business dabei; er macht seit Jahren bei Poetry Slams mit und organisiert sogar selbst einen in Lichtenberg. Aber auch "Frischlinge" traten an. Nachdem jeder Dichter seinen Text vorgetragen hatte, gab es eine Stimmzettelauswertung.

Marvin wurde Sieger und erhielt den "Integritude Poetry Slam Award". Dieser besteht aus einem Pokal mit eingraviertem Namen des Siegers, er stellt ein Symbol dar für den Mut, zu sagen, was man denkt, den Willen, friedlich zusammenzuleben und das Zelebrieren der deutschen Sprache. Danach fand noch eine Open Mic Session statt, bei der jeder Freiwillige sein Gedicht, Lied, Rap oder seine Geschichte vortragen konnte.

Bild: Integritude

Beim zweiten Poetry Slam wunderte es nicht, dass die Veranstalter das Geschehen in einen größeren Raum verlegt hatten. Auch dieser wurde voll, diesmal hatten sich mindestens 60 Menschen zusammengefunden, die mitjubeln, mitweinen, sich einfach begeistern lassen wollten. Hier traten schon sieben junge Talente an, darunter keiner, den wir bereits aus dem ersten Slam kannten. Abgestimmt wurde nun per Applaus.

Das Ergebnis sprach eindeutig für Martin, einen Medizinstudenten, dessen Protagonist sich in "Sehr verehrte Leberwerte" bei seinem Körper für die ihm zugefügten Schandtaten entschuldigte. Auch nach der Siegerehrung dieser Slam Rakete durften hinterher freiwillige Dichter, Rapper und Sänger die offenen Bühne nutzen.

Der Poetry Slam ist eine gute Möglichkeit, um die Nische "Gedichte" wieder mehr in den Vordergrund zu rücken und zu beweisen, dass Dichter und dichterische Ergüsse keineswegs fade, verstaubt und langweilig sind. Es regt den Zuschauer an, genau hinzuhören und Gedanken zuzulassen, die vielleicht im Alltag wenig Platz finden. Und selten erhalten wir einen so offenen Einblick in die Denkweise eines anderen Menschen, wie hier - wo keiner unterbrochen wird, wo niemand  dazwischenquatscht. Die Rakete startet jeden 2. Samstag im Monat, die nächste also am 14.12.2013!

Was ist ein Poetry Slam?

Der Poetry Slam, zu deutsch auch "Dichterwettstreit" oder etwas zugespitzt "Dichterschlacht", wurde 1986 in Chicago geboren und entwickelte sich in den 90er Jahren auch über die nationalen Grenzen hinaus. Hier werden selbstverfasste Texte vorgetragen, gerne auch abgerundet mit performativen Elementen - ohne dabei jedoch Requisiten, Kostüme oder Musikinstrumente zu benutzen. Der Dichter hat ein bestimmtes Zeitkontingent einzuhalten - meistens so um die fünf Minuten. Das Publikum entscheidet im Anschluss, welcher Auftritt ihm am besten gefallen, am meisten berührt, zum Lachen gebracht hat. Die Wertungen werden anhand von Lautstärken und/oder Ausdauer des Applauses  ermittelt oder aber in Form von Stimmzetteln abgegeben. Daraus wird dann von  der Jury ein Sieger gekürt, der als Preis meistens materielle Geschenke erhält, wie Bücher, CDs oder alkoholische Getränke, selten auch einen Geldbetrag. Übrigens: Die deutschsprachige Slam-Szene gilt nach der englischsprachigen als die zweitgrößte der Welt!

Lisa Tannigel